Some exercise in complex seeing is needed

2012

Wer mit dem Strom schwimmt, hat schon verloren. Wer sich treiben lässt, verpulvert seine Energie. Some exercise in complex seeing is needed zeigt eine Person, die gegen den Strom antaucht und scheinbar nicht vom Fleck kommt. Ein Widerspruch? Mitnichten. Dertnigs Gegen-den-Strom-Schwimmen erzeugt eine energetische Schwingung in der Regelmäßig- und Dauerhaftigkeit, die es vorträgt, aber vor allem ist es Bild gewordenes Antonym zur Bedeutungslosigkeit unwachen Handelns. Ohne jedoch diese Dualität als Grundlage für Sinn, Deutung und Gehalt zu überfordern – solcher Art Ansprüche liegen dieser Arbeit fern. Sie ist auf einen Minimalismus reduziert, der genau dadurch die komplexe Anstrengung der täglichen Arbeit an sich selbst wiedergeben kann. Ganz lapidar wird die Aussage getroffen: Besser gegen den Strom und auf der Stelle treten, das schärft die Konzentration und die Bewegungsabläufe. Und schon sind wir mittendrin im Performativen.
Über die Tonspur offenbart uns Dertnig einen ganz persönlichen Index der Performancegeschichte und damit eine Haltung zu Referenzsystemen. Immer sind sie subjektiv, unterliegen Vorlieben, Wertschätzungen etc. und fügen sich im besten Fall doch zu einem kleinen Kosmos, an dem man teilhaben kann. Ihren alphabetisch gereihten Almanach aus Begriffen, Floskeln, Referenzen – bspw. auf die Suffragetten, Duchamp, den Emma Goldman zugeschriebenen Satz: If I can’t dance, I don’t want to be part of your revolution, der selbst längst wieder Name einer feministischen, kuratorischen, mobilen Plattform wurde, genauso aber auf das eigene kuratorische Wirken – spricht Dertnig in dem ganz bestimmten Rhythmus des Rap und gibt so ihrer Begriffswolke eine weitere Behauptungsrahmung: jene der Probe, des Versuchens als essentielles Moment der Performance. Probe ist auch das Ankämpfen gegen den Verlust des Politischen; Probe ist Dertnigs konstanter Zustand.
(Carola Platzek)