Die Reise der Anna Zacherl
Am 22. September 1861 hatte sie Wien verlassen, um die große Reise anzutreten und um die Firma Zacherl in Tiflis aufzulösen. Danach ist ein Verkaufslokal unter dem Firmennamen „Das Mottenfraß-Etablissement aus Tiflis in Asien“ in Wien einzurichten. Am 23. wurde auf dem Schiff nach Galatz Musik von Zigeunern gespielt. Sie beobachtetete, wie eine Walachin einen nicht sehr ansehnlichen Hund liebkoste. Sie vertrieb sich die Zeit, indem sie die Passagiere betrachtete und die verschiedenen Sprachen – französisch, walachisch und russisch – anhörte. Eine von den Damen, eine Walachin, rauchte im Salon eine Zigarre, eine Papierrosk. Das konnte ihr gar nicht gefallen, denn da hörte sich das weibliche Zartgefühl auf. Am 25. kam das Dampfschiff an. Was für ein Gedränge. Von einer Kabine war keine Rede. Diese wurden von Familien höheren Ranges in Beschlag genommen und mussten teuer bezahlt werden. Der Speisesalon wurde als weiterer Bettenraum genützt. Eine Hälfte für die Damen, eine Hälfte für die Herren. Man entkleidete sich bis auf den Unterrock, denn da hört sich das Genieren auf.
Am 26. kamen sie um 2 Uhr in Orsovo an. Turmhohe Felsen ragten mit der Spitze aus dem Wasser hervor. Sie ging dann auf das Dampfschiffbüro und erfuhr zu ihrer Desperation, dass die 179 Koffer, die zurück geblieben waren, schnellstens nachgeschickt würden.
Am 27. erfuhr sie vom Spediteur, dass sie noch zwei Tage bleiben müsse, bis sie mit ihrer Ware weiter könne. So liess sie sich nach Czernitz in ein wallachisches Städtchen mit den Pferden fahren. Das Brot, das die Leute hier genießen, ist so schwarz wie die Erde. Sie blieb im Gasthaus „Zum Herkules“ und speiste ein Paprikahuhn.
Den 28. Heute war ihr 26. Geburtstag. Es kam ein Preuße, der ihr ein kleines Konzert auf einer Violine gab. Um 5 Uhr fuhr das Schiff ab und so verfloss ihr Geburtstag.
Am 29. landeten sie an der türkischen Festung Vidin. Sie machten eine kleine Tour durch die Stadt. Die türkischen Frauen waren so eingehüllt, dass man nur ihre Augen sah. Sie sahen aus wie die Gespenster am Friedhof in der Oper „Robert der Teufel“. Die Männer ließen sich gleich auf türkische Art rasieren.
Den 5. Oktober Auf dem Seedampfer „Merkur“ nach Konstantinopel war es für sie als stille Beobachterin interessant, die Türkinnen genauer zu besehen. Diese waren aus der besseren Klasse, der Haute volée. Vor Damen verschleiern sie sich nicht, aber sobald ein Herr die Salontüre öffnet, ziehen sie ihre Schleier zusammen. Die Familie besteht aus Mutter, Tochter und einer färbigen Dienerin. Sie freuten sich immer, wenn sie sie besuchte. Durch Pantomime verständigten sie sich. Sie verkleideten sie als Türkin, was sie unendlich freute. Da hättet ihr sie sehen sollen, wie heroisch sie aussah, wie ein Gespenst in der Geisternacht. Die Türkinnen mussten den ganzen Tag in ihrem Salon bleiben, damit sie kein Mann sieht und spricht, und es wäre eine große Strafe darauf, wenn sie es wagen wollte, in den Speisesalon heraufzukommen. Am 9. wurde sie um halb 5 geweckt, um die schöne Fahrt von der Mündung in den Bosporus, einen Kanal, der sich vom Meer aus nach Konstantinopel zieht, nicht zu versäumen. Bei Galata ging sie vor Anker und bestellte ein Zimmer im Hotel „Zur Stadt Wien“.
Am 16. war sie den halben Tag mit dem Schreiben beschäftigt.
Nachmittags besorgte sie Proviant für ihren Aufenthalt in Tiflis.
Abends wurde sie in das kaiserliche Theater eingeladen. So etwas Schönes und Reichhaltiges hatte sie noch nicht gesehen, wie Tausend und eine Nacht.
Den 20. Auf ihrer Reise unterhielt sie sich mit einem Persianer ein wenig französisch, aber nur ein wenig, denn sie war nicht gut gelaunt, da sie das Schaukeln des Schiffes nicht ertragen konnte. Es waren hauptsächlich Türken, Persianer, Georgier und Tscherkessen zugegen.
Den 22., um 8 Uhr früh, kam sie in Trapezunt an. Sie sah nach, wie es um ihre Ware stünde. Die Schiffsknechte warfen mit den Kisten herum, als wenn sie Steine in den Händen hätten, so dass sehr viele Kisten in Trümmer gingen. Die Ware wurde ausgebessert und in eine Barke nach Poti geladen. Sie war den ganzen Tag mit Kontrollieren beschäftigt.
Am 11., um 6 Uhr früh, fuhren sie weiter. Sie verschmerzte den guten Oberskaffee und gewöhnte sich nun für einige Zeit an den Tee. Abends um 6 Uhr kamen sie in Bellagori an. Es war ein schönes Tal mitten im kaukasischen Gebirge. Im Suramergebirge ging es im Zickzack langsam bergauf, bis sie zweimal so hoch waren wie der Stephansdom. Ein imposanter Anblick.
Am 15. November 1861 kam sie endlich in Tiflis an, und fuhr mit aufgeregtem Gemüt durch dessen Straßen. Es wurde 7 Uhr abends bis sie vor ihrem Magazin und Geschäft in Tiflis anhielt. Sie wurde mit einem Bouquet, einem Festmahl und zahlreichen Versen herzlich empfangen. Vor Aufregung konnte sie anfangs nur sehr wenig sprechen.