DÉGUEULASSE

Video, Ton, 8 min, 2010

Kamera, Schnitt: Katharina Cibulka

Ähnlich wie beim Avantgardefilm zählen in der Performancekunst die Befragung und Reflexion der eigenen Gattung, als auch die Sichtbarmachung der medienimmanenten Parameter zu den charakteristischen Elementen. Standbild, Liveton und klare, reduzierte Settings stellen seit Beginn der für die Kamera inszenierten Performances signifikante formale Wiedererkennungsmerkmale dar, die nicht zuletzt auch mit der Geschichte des Mediums Video einhergehen. Mit Dégueulasse bezieht sich Carola Dernig sowohl formal als auch inhaltlich auf Facetten der Performancegeschichte, in die sie sich nicht nur einschreibt, sondern die sie auch weiterzuführen versucht. Dégueulasse besteht aus einer zehnminütigen, sorgfältig kadrierten Einstellung, die statisch positioniert das Bühnenereignis aus einem leicht nach links versetzten Blickwinkel erfasst. In einer dreifachen, formal minimalistisch gesetzten Rahmung aus Licht und Schatten paraphrasiert Dertnig – in einer Markthalle in Wien stehend – Handlungsanweisungen für ein performatives Set up. Abwechselnd gibt sie Instruktionen, Fragen oder Merksätze von sich: „Ideas are one thing, and what happens to them is another thing.“ Oder: „If you do one thing for two minutes and you find it boring, do it for four minutes“. Neben selbst verfassten Textpassagen lassen sich in Dégueulasse etwa Zitatfragmente der Choreografin Simone Forti oder des Nouvelle Vague Klassikers À bout de souffle von Jean-Luc Godard wiederfinden wie auch Bewegungsabfolgen aus Yvonne Rainers Tanzvideo Trio A. Es sind aber nicht die Zitate selbst, welche Dertnig in den Vordergrund rückt oder die es zu dechiffrieren gilt. Vielmehr generiert sie den Mehrwert durch die elegante Collage eigener und der aus unterschiedlichen Kontexten kommenden Versatzstücke, die sich – neu zusammengesetzt – einer kausalen Leseart entziehen. “Qu´est-ce que c´est Dégueulasse?” fragt Patricia Franchini alias Jean Seberg alias Carola Dertnig; – und eine klärende Aussage bleibt nicht nur bei Godards Film den RezipientInnen überlassen. Ganz im Sinne der Dialektik wird auch bei Dertnig eine mögliche Antwort durch die jeweilige Rolle oder Haltung mitdefiniert.

Dietmar Schwärzler