Secession

2004

Die Zeichnungen, Videoarbeiten und Installationen von Carola Dertnig beschäftigen sich mit dem performativen Gehalt von Sprache - von Text, Bildern, Gesten - und dokumentieren diesen als einen Prozess, innerhalb dessen Rollen entstehen und sich artikulieren. Feministisch geprägte Blickweisen sowie das explizite Interesse an einer Politisierung von Gender zählen zu den zentralen Aspekten ihrer Arbeit. Parallel zu ihrer künstlerischen Tätigkeit kuratierte Carola Dertnig zahlreiche Ausstellungen zu Performancekunst und initiierte das feministische Netzwerk a room of one's own.
In der Secession zeigt Carola Dertnig eine neue Arbeit, die ihre verschiedenen Interessensfelder der letzten Jahre zusammenführt. Die Ausstellung vereint eine Toninstallation, Zeichnungen und eine architektonischen Intervention. Die Toninstallation, eine Tonspur im Raum, ist der Monolog einer Person. Ausgehend von Interviews mit Zeuginnen des sogenannten "Uniskandals", der 1968 im Hörsaal 1 der Universität Wien organisierten Aktion Kunst und Revolution, illustriert der Text die Erfindung einer neuen Konstellation von Ereignissen. Dertnig hat die Interviews zum Teil belassen, zum Teil umgeschrieben, zum Teil um neue Textpassagen ergänzt. So entsteht eine Erzählung, die dem Dokumentarischen nur insofern verpflichtet ist, als es Teil einer fiktionalen Konfiguration ist. Bestimmend ist, wer nicht zu Wort gekommen ist und in der Geschichtsschreibung vergessen wurde. Wer war im Publikum, welche Rolle haben Frauen gespielt, wo waren sie zu finden, wie haben sie sich gefühlt; in welchem Verhältnis standen Affirmation und Ablehnung der Aktion, wie hat die lokale Geschichtsschreibung in Österreich diese Aktion bewertet und eingeordnet?

In den Text finden weder das Wort Frau noch Mann , noch die Pronomen sie oder er Eingang. Damit bezieht sich Carola Dertnig einerseits auf Überlegungen von Beatriz Preciado und anderseits auf die Tatsache des machistisch-heterosexuellen Konzepts des Wiener Aktionismus. In ihrem Kontrasexuellen Manifest argumentiert Preciado, dass der Körper ein sozial konstruierter Text ist, in dem Codes entweder naturalisiert, ausgelassen oder durchgestrichen werden, um letztlich die materielle Ausbeutung eines Geschlechts durch das andere zu sichern. Preciado plädiert dafür, die Schreibtechnologien von Sex und Gender genauso wie ihre Institutionalisierungen zu erschüttern. (kontrasexuell = alle vom Heterozentrismus abweichende Praktiken)