strangers

AT, 2003, 3 min.

Strangers handelt von der Performativität unseres alltäglichen Handelns und inszeniert und dokumentiert diese als Koexistenz von Sinnkonstruktion und Sinnlosigkeit. Die Ausgangsbasis für die kurze Erzählung, die Teil der Serie True Stories ist, bilden Erfahrungen von Frauen und der Künstlerin selbst, die "Missgeschicke" in (semi-)öffentlichen Räumen beschreiben: "peinliche" oder "unangenehme" Augenblicke, die Betroffenheit und Befremden auslösen, da die Situation aus der Rolle zu fallen scheint.

In Strangers verliert eine Frau auf ihrem Weg durch die Ankunftshalle eines Bahnhofgebäudes öffentlich die vom Vortag im Hosenbein vergessene Strumpfhose. In der Wiederholung und Übersetzung dieses Ereignisses verbindet Carola Dertnig stilistische Grundmotive aus dem Genre der Slapstick Comedy – wie jenes der Übertreibung oder der Diskrepanz zwischen Gestik und Gestalt – mit analytischen Ansätzen aus der Geschichte der feministischen Performancekunst. Auf diese Weise tritt eine situative Komik in den Vordergrund – die Strumpfhose ist überdimensional lang und zieht sich, von der Frau unbemerkt, wie ein roter Faden und Störfaktor durch die PassantInnen – die gleichzeitig immer wieder durch visuelle und formale Trennungen von Körper (Räumen sowie Personen) und Sprechakt gebrochen wird. Die Absurdität führt zu einer rhetorischen Strategie, geschlechtsspezifische Zitationen ("doing gender") als einen widerspruchsvollen Prozess zu reflektieren, in dem parallel "leere" und hochgradig besetzte Bilder an- und abwesend sind. Im Voice-Off zitiert Carola Dertnig gleichzeitig einen Auszug aus dem Sketch Die Fremden von Liesl Karlstadt und Karl Valentin (1940): ein Monolog über die Relation der Begriffe "Fremde" und "fremd sein" sowie die Frage, was passiert, wenn ein Fremder nicht mehr fremd ist.

(Rike Frank)